Testament - Parabellum
(Nuclear Blast)
Mit der Auskopplung „Infanticide A.I.“ hat man ja schon mal einen Vorgeschmack darauf bekommen, dass Testament die Schrauben in Sachen Härte diesmal noch weiter anziehen würden, als wir das von neueren Veröffentlichungen der Bay Area-Veteranen ohnehin gewohnt sind. Nach einem bandtypischen melodischen Einstieg fliegt uns hier ein unbarmherziges Blastbeat-Gewitter um die Ohren, die Gitarren im Refrain klingen fast schon nach Blackmetal, und Chuck Billy zieht mit phrasierten Growls alle Register. Trotzdem ist die Nummer extrem eingängig und setzt sich bereits nach dem ersten Hören fest. Wir haben lange auf einen neuen Hit der Band gewartet, das hier könnte er sein! Aber Testament schlagen in Sachen Härte sogar noch eine Schippe drauf und machen einen unerwarteten Schritt in Richtung Black Metal: „For the Love of Pain“ klingt nicht nach Bay Area, sondern nach einem Panzer im Eissturm. Die neue und außergewöhnlich deutliche Nähe zum Black Metal geht offenbar auf eine Vorliebe von Hauptsongwriter Eric Peterson zurück, der diesbezüglich in Chris Dovas (nach dem Abgang von Gene Hoglan und dem Dave Lombardo-Intermezzo neu an den Drums) offenbar einen begeisterten und hörbar versierten Mitstreiter gefunden hat. Im Gegensatz zu diesen eher untypischen Elementen kommen bei „Witch Hunt“, dem ebenfalls vorher ausgekoppelten „Shadow People“ und dem Titeltrack die alten bzw. melodischeren Tugenden wieder zum Tragen, und so hat Parabellum bereits fünf auf ganzer Linie überzeugende, teils brettharte, teils melodischere Nummern im Gepäck, die sich technisch – wie nicht anders zu erwarten – auf höchstem Niveau bewegen, durch gesangliche Variabilität begeistern, mitreißend sind und kaum Wünsche offen lassen. Angesichts des durchgedrückten Gaspedals überrascht es dann umso mehr, dass seit langer Zeit einmal wieder eine lupenreine Ballade auf dem Programm steht. „Meant to Be“, das man unweigerlich mit „The Ballad“ vergleichen wird, fängt eher unspektakulär an, entwickelt sich aber und kann als getragene Nummer mit sinfonischen Untertönen und einem ausufernden thrashigen Ende ebenfalls überzeugen. Überhaupt zeigt das Album bemerkenswert deutliche Anschlüsse an das frühe Werk, viele Passagen könnten – hier natürlich in einer modernisierten Variante – ähnlich auch auf The New Order (insbesondere das sehr geile „Havana Syndrome“) oder Practice What You Preach stehen – hier vor allem „Nature of the Beast“ und „Room 117“, die aber leider beide etwas abfallen. Auch die brutale, eher Death Metal-lastige Gunslinger-Nummer „High Noon“ hat mich eher weniger gekriegt. Insgesamt betrachtet aber ist Parabellum ein über weite Strecken atemberaubendes und intensives Album geworden und die Dichte an starken und einprägsamen Songs ist wieder höher als auf den Vorgängern. Über zwei oder drei etwas schwächere Songs wollen wir in Anbetracht dessen nicht meckern. Das einzige Problem des Albums ist, dass es ihm an einem Gesamtkonzept fehlt, das die insgesamt doch sehr inhomogenen Songs zusammenhalten könnte. Gleichzeitig wirkt das Album dadurch aber auch weniger hermetisch geschlossen als mancher Vorgänger. Insgesamt kann man durchaus zufrieden sein.
https://www.testamentlegions.com/site/
(Torsten)