Taylor Adams - Die Brücke
(Heyne Verlag)
- nervenaufreibender und blutiger Psychothriller in Überlänge -
Samstag, 21. September 2019, Magma Springs, Montana. Drei Monate, nachdem die 24-jährige Cambry Nguyen von der Hairpin Bridge in den Tod gesprungen war, lässt sich ihre Zwillingsschwester Lena den Ort zeigen, an dem Corporal Raymond R. Raycevic, die Leiche ihrer Schwester im ausgetrockneten Flussbett des Silber Creek gefunden hatte. Lena will mit ihrer Trauer abschließen können und von Raycevic all die grausamen Details wissen, die zum Tode Cambrys an der sogenannten Selbstmörderbrücke geführt haben. Obwohl sie sich in psychologischer Behandlung befand, misstraut Lena der offiziellen Darstellung des Suizids ihrer Zwillingsschwester und hat sich vermeintlich gut auf diesen Tag, samt seiner verstörenden Enthüllungen vorbereitet. Warum Cambry eine knappe halbe Stunde vor ihrem Tod von Corporal Raycevic, im Rahmen einer Verkehrskontrolle angehalten wurde, erschließt sich Lena nicht. Auch welcher Zwischenfall dazu führte, dass sie anschließend mehrfach versuchte, erfolglos den Notruf zu wählen. Was also gab den Ausschlag, dass Cambry kurz nach der Kontrolle den Freitod auf der Hairpin Bridge wählte?
Nachdem ich den 2020er Action-Thriller "No Mercy - Diese Fahrt überlebst du nicht" regelrecht verschlungen habe, ist der neue Standalone "Die Brücke" für mich natürlich Pflichtlektüre. Auf 416 Seiten beweist der erfolgreiche Filmregisseur und Schriftsteller Taylor Adams einmal mehr, dass er zur Speerspitze kurzweiliger, actiongeladener und spannender Thriller Kost gehört. Adams, der heute im Bundesstaat Washington lebt, weiß nun mal wie man pointierten Nervenkitzel aufbaut, anschauliches Lokalkolorit einstreut und seine Charaktere an den Leser bindet. "Die Brücke" ist jedoch alles andere als frei von Klischees, kleineren Übertreibungen, ausufernden Beschreibungen oder Logikfehlern und wirkt dadurch phasenweise etwas konstruiert. Das kann der messerscharf geplotteten, lange Zeit undurchsichtigen und nebulösen Handlung auch keinerlei Abbruch bringen, sodass ich es persönlich unter künstlerischer Freiheit innerhalb der Trivialliteratur verbuche. Der Autor hält den Spannungsbogen nämlich über die komplette Distanz von 416 Seiten bis aufs Äußerste gespannt. Mit atemlos verstörenden Twists, die ganz klar auf Spannung und Action ausgelegt sind, schaukelt sich das literarische Psychogramm allmählich in Ekstase.
Obwohl Corporal Raymond R. Raycevic geduldig ist, vertrauenswürdig rüberkommt und souverän agiert, ist Lena misstrauisch und stets auf der Hut. Sie verabscheut Raycevic regelrecht und zeichnet das Gespräch von Anfang an auf. Das ist ihr Back-up. Dabei lässt Taylor Adams lange Zeit offen, wer hier welche Spielchen spielt. Das sind Psychoterror, Verfolgungsjagd, Täuschungsmanöver, Enthüllungsstory und Showdown in einem. Alles in kurzen, prägnanten und treffenden Sätzen. Der Atem stockt. Das gibt ordentlich Blutdruck! Dabei fragt man sich die ganze Zeit, ob Cambry an Verfolgungswahn litt oder sich tatsächlich in Gefahr befand. Wobei, die Antwort doch eigentlich klar auf der Hand liegen sollte!?! Oder etwa nicht? Was hält Corporal Raycevic gegenüber Lena zurück oder was will sie nur einfach nicht kapieren?!? Der raffiniert geplottete Psychothriller, der im Jahre 2021 unter dem Titel "Hairpin Bridge" im amerikanischen Original erschien, ist kaum vorhersehbar, bietet ausgeklügelte Twists und jede Menge fesselnden Nervenkitzel. Taylor Adams packt dabei immer wieder geschickt ausgearbeitete Cliffhanger an die Enden seiner Kapitel.
Durch die Geschehnisse, die abwechselnd aus Lenas und Cambrys Sicht erzählt werden, erfährt der Leser letzten Endes was tatsächlich passiert ist und wer oder was die junge Frau zu ihrer drastischen Entscheidung getrieben hat. Eine rasante, investigative und mitreißende Story um den Umgang mit dem Tod als Zwillingsschwester entbrennt, die in einem perfiden und bitterbösen Katz-und-Maus-Spiel mündet. Alles, was Corporal Raycevic sagt, hört sich einerseits plausibel an und andererseits doch vollkommen unglaublich. Verdreht der Highway Polizist bewusst die Wahrheit? Oder ist es Lena, die hier mit Tatsachen hinterm Berg hält? Wer versteckt sich hinter seinem dicht geflochtenen Lügenkonstrukt, oder was wird hier tatsächlich gespielt? "Die Brücke" besitzt durchaus Pagetruner Qualitäten, obschon man den Plot gerne hätte etwas straffen können. Die Szenenwechsel zwischen der Gegenwart und Cambrys Geschichte sind manchmal fließend und daher nicht leicht abzugrenzen. Auch was es mit den im Text verborgenen Links auf sich hat, erschließt sich mir nicht so ganz, da sich diese nicht öffnen lassen. Eine diesbezügliche Anfrage beim Autor blieb bislang leider erfolglos, also muss man davon ausgehen, dass sie rein fiktiver Natur sind. Taylor Adams erster Roman im Heyne Verlag "No Exit" (2018) wurde mittlerweile in 32 Sprachen übersetzt und kürzlich von den 20th Century Studios als Hulu-Originalfilm adaptiert.
(Janko)
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Taylor Adams - Die Brücke
Heyne Verlag
Thriller
ISBN: 978-3-453-42726-6
416 Seiten
Taschenbuch, Broschur
Originaltitel: Hairpin Bridge (2021)
Aus dem amerikanischen Englisch von Robert Brack
Erscheinungstermin: 14.08.2024
EUR 13,00 Euro [DE] inkl. MwSt.
Weitere Formate:
ISBN eBook (epub): 978-3-641-30352-5
Erscheinungstermin: 14.08.2024
EUR 10,99 Euro [DE] inkl. MwSt.
"Die Brücke" beim Heyne Verlag: https://www.penguin.de/Taschenbuch/Die-Bruecke/Taylor-Adams/Heyne/e604748.rhd