KVAEN - The Formless Fires
(Metal Blade Records)
Das dritte Extremeisen "The Formless Fires", der schwedischen Black/Pagan/Speed/Death Metal One-Man-Show KVAEN, ist sogar noch einen fetten Tacken zwingender geworden, als der grandiose 2022er Vorgänger "The Great Below". Jacob Björnfot, der neben dem Gesang sämtliche Instrumente einspielte (außer den vielschichtig auf die Felle gezimmerten Drumworks, die vom ehemaligen AMON AMARTH Drummer Frederik Andersson eingehämmert wurden), hat einmal mehr eine episch winterliche und sturmgepeitschte Atmosphäre eingefangen. Das kräftig beißende, eher langgezogene Kreischen des Skandinaviers schmiegt sich in jedem Song perfekt an die ureigene Instrumentalsektion an und erschafft eine frostkalte Dynamik. Björnfots häretischer, kehlig-kratziger Gesang schwimmt dabei oftmals im Fahrwasser der Melodieführung und kommt in diesen Momenten besonders gut zur Geltung. Die Produktion ist dabei griffig und erdig ausgefallen, die Songauswahl sehr abwechslungsreich, exzellent durchdacht und äußerst variabel in Power und Pace. Wenn Jacob Björnfot, aus Kalix, in der schwedischen Provinz Norrbottens län, indes über sein Baby KVAEN spricht, nennt er es nicht mehr nur Projekt, sondern nutzt hier und da schon mal den Begriff Band. Vor allem das momentane Live Line-up scheint ihm dabei eine optimale Stütze zur Umsetzung seiner Visionen zu sein. Auf "The Formless Fires" gilt es aber auch Gastperformances von DARK FUNERAL-Saitenhexer Chaq Mol (beim Rausschmeißer "The Wings of Death") und wie schon beim letzten Album auch wieder ein Solo von NECROPHOBIC-Gitarrist Sebastian Ramstedt (bei "Traverse the Nether") zu vernehmen.
Seit der Gründung des Projekts im Jahre 2019 hat sich KVAENs fast-paced Black Metal zu einer 2nd/3rd Wave Black/Death Institution gemausert, die nicht umsonst mit Album Nummer drei einen Major Deal bei Metal Blade Records einheimsen konnte. Die acht neuen Stücke, die es auf eine Gesamtspieldauer von 39:21 Minuten bringen, strotzen geradezu vor Erhabenheit, Güte und Kraft. Es sind ergreifende, mitreißende und markante Songs mit hohem Wiedererkennungswert geworden, die musikalisch, wie technisch auf allerhöchstem Niveau stattfinden und ordentlich Kurzweil bieten. Sie lassen sich am ehesten mit einem Hybriden aus DISSECTION und NAGLFAR vergleichen, sind einprägsam, völlig losgelöst von irdischer Präsenz und kommen absolut gereift rüber. Bei meinem persönlichen Album-Fave "Tornets sång" sind mir, speziell im melodischen zweiten Drittel, gar Parallelen zu älteren HYPOCRISY-Tunes aufgefallen. Jacob Björnfots originelle und arschtighte Leads lassen sich häufig von melodischen Zwischenparts inspirieren, wie sie gerne von Speed- und Thrash-Bands der 90er gezockt wurden. Der 30-Jährige hat eben ein feines Näschen für metaphorisch-atmosphärische Arrangements, die sich gerne mal an den großflächigen Wäldern, den harten, langen Wintern, den eisigen Seen und den schroffen Berglandschaften Lapplands orientieren.
Der Name KVAEN entstammt im Übrigen dem Volk, das Jacob Björnfots Heimat, an der finnischen Grenze und am nördlichsten Ufer der Ostsee, zur Wikingerzeit bevölkerte. Die Lyrics, für die sich Jacob gerne in seine abgelegene Hütte in den Wäldern von Torne Valley zurückzieht, sind daher auch oftmals tief in der nordischen Mythologie, alten Bräuchen und Ritualen verwurzelt, wie in dem Song "De Dödas Sång", der sich mit dem Senizid (Altentötung) der "Ättestupa" befasst. Ein nordisches Selbstmordritual, bei dem ältere Dorfbewohner von steilen Abgründen in den Tod sprangen oder gestoßen wurden, um Platz für die heranwachsende Generation zu schaffen und selbiger nicht zur Last zu fallen. Jacob beleuchtet aber auch Themen wie Abschottung, Verbannung und Einsamkeit. Er möchte allerdings nicht zu viel verraten, denn er sagt selbst: "Der halbe Spaß besteht darin, die Vinylplatte aufzuschlagen und die Texte zu lesen!" Das bockstarke Album "The Formless Fires", das von vorne bis hinten zündet, entfaltet von Anfang an eine enorme Sogwirkung und ist nicht umsonst eines meiner bisherigen Jahreshighlights 2024 geworden!
(Janko)
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