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Das Goebbels-ExperimentDas Goebbels-Experiment

(Polyband)

 

Diese „Dokumentation“, die Polyband im Rahmen der Spiegel TV-Reihe auf den Markt bringt, trägt ihren etwas eigenwilligen Namen mit einiger Berechtigung. Denn die – auch vom Label selbst ausgeschriebene – Genrebezeichnung trifft es in diesem Fall nur sehr bedingt. Zumindest unterscheidet sich Das Goebbels-Experiment entscheidend von praktisch jeder Dokumentation, die man bislang zum Thema Zweiter Weltkrieg zu Gesicht bekommen hat. Hier wird weder beschrieben, noch erklärt, und erst recht nicht wird kommentiert. Jeglicher gesprochener Text stammt aus den Tagebüchern, die Joseph Goebbels von den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts bis zu seinem Tod kurz vor Kriegsende akribisch geführt hat. Die zugegebenermaßen etwas reißerische Werbung des Vertriebs, nach der Goebbels selbst zum Zuschauer spricht, trifft es also recht präzise und ermöglicht vor allen Dingen eine maximal authentische Auseinandersetzung mit einem der schillerndsten Köpfe des NS-Regimes.

 

Dabei beginnt Das Goebbels-Experiment sogar schon weit vor dem ersten Tagebucheintrag mit Kurznotizen, die Goebbels offenbar bereits als Kind hier und dort zu Papier gebracht hat, die aber aus leicht nachvollziehbaren Gründen nur sehr fragmentarisch die ersten zwei Jahrzehnte seines Lebens abspulen. Mit Beginn der regelmäßigen Eintragungen wird es dann aber interessant, und schnell offenbaren sich innerste Sehnsüchte und politischer Radikalismus, was – und damit darf das Titel gebende Experiment schlussendlich auch als geglückt bezeichnet werden – eine traditionelle Dokumentation dem Betrachter niemals derart authentisch hätte nahe bringen können.

 

Im Laufe der Jahre lässt sich anhand diverser, teils sicher überraschender Äußerungen viel Neues über den Menschen und den Politiker Joseph Goebbels erfahren. Sein ambivalentes Verhältnis zu Hitler kennzeichnet ihn dabei als in höchstem Maße schizophren und unter Verfolgungswahn leidend, was sich letztendlich auch in seinem Blick auf die Juden wieder findet; regelrecht zerfressen von Antisemitismus, beschäftigt er sich dennoch ebenso eindringlich mit jüdischen Autoren, wie er sich mit russischen Regisseuren auseinandersetzt.

 

Gleichzeitig machen seine politisch-taktischen Gedanken deutlich, welche Pionierleistung Goebbels – ungeachtet des moralischen Aspektes – mit seiner Propagandamaschinerie abgeliefert hat. Zumeist mehrere Schritte voraus denkend und sich sämtlicher zur Verfügung stehenden medialen Kanäle bedienend, setzte er in seiner Arbeit Maßstäbe. Nicht umsonst hielten die Autoren etwa den Besuch der Funkausstellung für wichtig genug, ihn aus der immensen Masse an Tagebucheinträgen in den Film zu hieven.

 

Womit der vielleicht einzige Kritikpunkt erreicht wäre – zwangsläufig muss das Ergebnis in gewisser Weise einen subjektiven Charakter aufweisen. Über 20 Jahre Tagebucheinträge in weniger als zwei Stunden Spielzeit zu komprimieren, setzt voraus, Schwerpunkte zu setzen und sich von vielen Aspekten zu verabschieden. Somit wird jeder Zuschauer den einen oder anderen Punkt im Leben des Joseph Goebbels als zu kurz gekommen empfinden, und dennoch bietet Das Goebbels-Experiment einen umfassenden und weitestgehend ausgesprochen gut gewichteten Blick auf einen der wichtigsten Männer des Dritten Reichs. Dazu kommt die bisweilen grandiose Bildauswahl, die nahezu pausenlos perfekt zu den Worten passt und Aufnahmen präsentiert, die man anderswo nur schwerlich finden wird.

 

Das Goebbels-Experiment sei also allen Interessierten in jeder Hinsicht ans Herz gelegt, unter den NS-Dokus mit einem spezifischen Thema gehört diese ganz sicher zu den allerbesten. Doch Vorsicht: Zur „Berieselung“ beziehungsweise zum Nebenbei-anschauen eignet sich Das Goebbels-Experiment überhaupt nicht. Als Zuschauer muss man sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass einem nicht Guido Knopp etwas aus der Geschichte erzählt, sondern dass hier vielmehr einer der gefährlichsten Männer der Weltgeschichte ungefiltert seine kranke, von Rassenwahn und Fanatismus durchzogene Weltanschauung vorträgt.

 

Die DVD präsentiert die Dokumentation in 16:9-Format, die Stereospur liegt in deutscher sowie englischer Sprache vor. Im Bonusmaterial findet sich ein ausführliches „Gespräch mit den Autoren“ und zwei Features zu den Sprachaufnahmen mit Udo Samel und Kenneth Branagh. Das Digi im Pappschuber reiht sich optisch in die Spiegel TV-Reihe ein. Empfehlung ohne jede Einschränkung!

 

(mosher)


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