Opeth – The Last Will And Testament
(Reigning Phoenix Records)
Gefielen sich Mikael Akerfeldt und OPETH im letzten Jahrzehnt immer selbst, hatten die Schweden doch irgendwie die Magie der ersten Karrierehälfte verloren. Dies lag nicht unbedingt nur daran, dass „Watershed“ 2008 die letzten Growls der Bandgeschichte beinhalteten, sondern sich auch der Stil immer weiter Richtung Progressive Rock, weg vom Death Metal und den melancholischen Anfangstagen, bewegte. Die nahezu perfekte Blende der Stile, die Werke wie „Still Life“, „Ghost Reveries“ oder „Blackwater Park“ so groß und für viele so bedeutend gemacht hatte, war weg.
„The Last Will And Testament“ könnte nun der erste Schritt der Band sein, die Fans, die die Band in den letzten 15 Jahren verloren hat; Obwohl Akerfeldt und Co live natürlich bis heute auch ältere Nummern performen.
Die große Nachricht war, dass es diese Mal wieder Growlgesang geben wird, ja, selbst Death-Metal-Elemente kehren wieder Einkehr. Gleichzeitig widmen sich OPETH auch wieder einem klassischen Konzeptalbum, zieht sich eine fortlaufende Storyline durch das gesamte Werk.
Integrale Bestandteil des Albums ist dadurch Jethro Tulls Ian Anderson, der dem Hauptcharakter, einem verstorbenen Patriachen, seine Stimme leiht. Flöte darf er natürlich auch ein paar Mal spielen, wenn er gerade schon dabei ist.
„The Last Will And Testament“ ist aber nicht einfach „alte OPETH“ im Jahr 2024, sondern gänzlich neue OPETH. Vor ihrer Prog-Phase gefielen sich die Schweden in melancholischen, ruhigen Melodielinien, die die Death-Metal-Elemente aufgebrochen haben. Hier wird echter Progressive Rock, durch ein Death-Metal-Milchglas betrachtet. Das bedeutet gleichzeitig, dass das 14 Studioalbum so voller Details steckt, dass man es in den ersten Durchläufen gar nicht komplett erfassen kann. Ich als Rezensent kann offen gestehen, dass ich beim ersten Hören bei „§3“ (fast alle acht Songs sind, wie in einem Testament, als Paragraphen benannt) abbrechen. Es war einfach zu viel auf einmal.
Doch mit der Zeit erarbeitet man sich als Hörer die einzelnen Ebenen, die vielen Schichten des Albums. Der Groove von „§2“ kickt, die Orchestrierung und das superbe Schlagzeugspiel auf „§3“ kann genauso genossen werden, wie das sich immer weiter steigernde „§4“. Das vielschichtigste Stück stellt auch nach vielen Durchläufen immer noch „§5“. Fast fühlt man sich wie in einem Crime-Hörspiel, bei dem der Ermittler Schicht für Schicht der Geschichte und der Musik aufdeckt. Der einzige „normale“ OPETH-Track ist „A Story Never Told“ am Ende des Albums. Hier dreht man die Geschichte zwar nochmal auf den Kopf, spielt aber die „Damnation“-Karte und präsentiert eine fast gewöhnliche OPETH-Ballade.
An dieser Stelle muss auch das Sounddesign des Albums gelobt werden. Selten nutzen Bands dieser Tage alle Winkel und Ebenen, die einem eine Studioaufnahme bietet. Stimmen und Instrumente kommen von links und rechts, oben und unten.
Haben Blood Incantation auf „Absolute Elsewhere“ ihren Death Metal mit Pink Floyd verbunden, gelingt OPETH auf „The Last Will And Testament“ die nahezu perfekte Verbindung zwischen King Crimson und Death Metal. Während das Hören von „Absolute Elsewhere“ jedoch Spaß bereitet, muss sich der Hörer „The Last Will And Testament“ erst einmal erarbeiten.
Auch wenn viele Elemente zurückgekehrt sein mögen, die OPETH-Fans für die letzten 15 Jahre abgegangen sein mögen, so fehlt der Band 2024 aber vollkommen die melancholische Schlagseite. Besonders deutlich wird dies in den ruhigeren Momenten des Albums und auch der abschließenden Ballade „A Story Never Told“. Auch wenn OPETH oft so klingen mögen wie ihr früheres Selbst, so fühlt sich die Musik nicht mehr so an. Früher war es die düstere Atmosphäre und die tiefen Emotionen, die Opeths Musik durchzogen. Auf „The Last Will And Testament“ ist diese Melancholie durch eine kühle, progressive Präzision ersetzt worden – beeindruckend, aber emotional weitaus weniger packend. Dies muss der Band natürlich zugestanden werden. Niemand möchte wirklich, dass Jahr ein, Jahr aus, dasselbe Album veröffentlicht wird. Jedoch erfüllt es einen als Hörer mit einer gewissen Melancholie, erinnert man sich an die Gefühle und Gedanken, die man mit den früheren OPETH-Alben verbindet.
(Manuel)